Wintertour im Dovrefell

Aus der Reihe outdoor-life-classics:

Die Anfahrt:

Die Anfahrt nach Norwegen ist wie immer ein Erlebnis. Das Ziel unserer kleinen Gruppe ist in diesem Winter das Dovrefjell zwischen Oslo und Trondheim.

Unsere Reise beginnt auf einen Freitag im März mit dem Sektionsbus der DAV Sektion Gießen-Oberhessen. Ich klappere ein paar Orte in der Nähe von Gießen ab um alle Teilnehmer einzusammeln. Gegen 14:30 Uhr sind wir auf der Autobahn nach Norden unterwegs.

Mit Einbruch der Dunkelheit passieren wir Hamburg und es geht weiter über die Ostseefähre bei Puttgarden, durch Dänemark und Schweden. Es ist bereits wieder hell als unser roter VW Bus über die Grenze nach Norwegen rumpelt. Durch einige Fahrerwechsel schaffen wir die Strecke von über 1500 Kilometern in etwa 22 Stunden.

Als unser Bus an der Kongsvold Fjeldstue vorfährt scheint die Sonne bei fast wolkenlosem Himmel und – 15 Grad. Nach der Anmeldung bekommen wir ein kleines Nebengebäude zugewiesen so wie ich es vorgebucht hatte. Jetzt ist erst mal auspacken, umpacken und ausruhen angesagt. So hat jeder erst mal genug mit sich selbst zu tun und gegen 14:30 Uhr trifft sich unsere Gruppe vor dem Gebäude um schon mal die Schneeschuhe zu testen. Wir drehen eine kleine Runde über die nahegelegenen Hügel und durch ein Waldstück mit tiefem Schnee. Am Abend begießen wir die gelungene Anfahrt mit einer Dose Bier für jeden und so klingt der Tag langsam aus.

Der Anmarsch:

Der Morgen beginnt mit -28 Grad und Sonne. Wir packen unsere Pulkas und gehen in den Speisesaal zum frühstücken. Diese Temperaturen sind sogar für unseren treuen Bus zu tief, denn er verweigert die Überfahrt auf den großen Parkplatz an der Straße.  Also wird er von uns mit Muskelkraft dorthin bewegt und bei angenehmen – 22 Grad beginnt unser Aufstieg zur DNT Hütte Reinheim.

Die ersten Kilometer sind eine Qual. Durch steiles Gelände ziehen wir die schweren Pulkas bergauf, bis der Weiterweg etwas flacher wird und wir beim gehen die schöne Winterlandschaft genießen können. Auf den nächsten 13 Kilometern begegnen uns gefühlte 100 Personen, die an diesem schönen Sonntag aus dem Fjell zurück in die Zivilisation strömen.

Da die Strecke sehr gut „abgesteckt“ ist kann jeder sein eigenes Tempo gehen. In dieser eisigen Wüste ist jeder von uns mit seinen Gedanken bei sich und vielleicht auch bei der Frage: „Was mach ich hier eigentlich mit diesem riesigen Haufen Gepäck bei – 20 Grad in Norwegen…?“

Um 17:00 Uhr sind wir alle an der Hütte wieder zusammen und spätestens beim Abendessen in der warmen Fjellhütte sind auch diese Fragen wieder verflogen.

Die Hütte Reinheim ist eine Selbstversorgerhütte mit Vorräten an Essen und Holz. Somit sind die Nutzer für Sauberkeit und den Betrieb der Öfen, sowie das Kochen selbst verantwortlich. Jeder muss auf den anderen Rücksicht nehmen und die Gruppen müssen sich untereinander absprechen. So kommt man mit anderen „Abenteurern“ trotz Sprachbarriere schnell ins Gespräch. Wir lernen auf diese Art Andre´s kennen. Er ist Österreicher und hat lange Jahre in der Schweiz und in Deutschland gelebt. Nun hat es ihn, inzwischen auch schon seit vielen Jahren nach Norwegen verschlagen, wo er im Winter eine Husky Farm betreibt und im Sommer als Bergführer arbeitet. Im Laufe der Woche sollten wir uns immer besser kennen lernen und immer mehr von Fremden zu Freunden werden.

1. Tag: Die Schneehöhle

Der Tag empfängt uns mit grauen Wolken und starkem Wind. Heute ist Ausbildung angesagt. Die Teilnehmer der Tour sollen lernen wie man eine Schneehöhle baut, was einem in einer Notlage hier oben das Leben retten kann.

Nach einem ausgiebigen Frühstück zusammen in der gemütlichen Küche packen wir uns warm ein und gehen nach draußen. Ganz in der Nähe der Hütte befindet sich eine große Schneewehe in der wir zwei Höhlen graben wollen. Kai betreut die Arbeiten an der einen, ich die Arbeiten an der anderen Schneehöhle.

Im Tagesverlauf nimmt der Wind immer mehr zu und es kommt noch leichter Schneefall hinzu. Wir brauchen für die beiden Höhlen mit einem verwinkelten und überdachten Eingang gute 4 Stunden Bauzeit. Andre´s kommt zum Nachmittag noch hinzu und schneidet mit einer Säge große Schneeblöcke aus mit denen der Eingang von Kai´s Höhle überdacht wird.

Nach all der Mühe freuen wir uns schon auf das Abendessen. Kai schlägt vor er können Klöße machen und Andre´s möchte eine Art Rentier Gulasch dazu beisteuern. Ab diesem Abend kochen wir immer gemeinsam in der Küche und manchmal kommt man sich vor wie in einem 5 Sterne Lokal.

 2. Tag: Die Tour im Sturm

Das schlechte Wetter hat über Nacht noch zugenommen. Trotz der widrigen Umstände ziehen wir los. Der gesamte Tag soll unter dem Zeichen der Orientierung bei schlechter Sicht stehen. Das Ziel dieser Orientierungstour ist der Berg Namnlauskollen, ca. 4 Kilometer von der Hütte entfernt.

Unsere Gruppe startet also in den Sturm. Mit jedem Meter den wir an Höhe gewinnen nimmt der Sturm zu. Die Sicht ist zum Teil bei unter 10 Metern. Langsam tasten wir und bergauf. Auf ca. 1500 Metern wird es Kai plötzlich übel. Er hat wohl das Frühstück nicht vertragen. Aber auch so etwas ist kein Problem. Da bei diesen Bedingungen keiner alleine zurück gehen sollte baut er sich eine kleine Schneebehausung und „igelt“ sich so ein bis wir zurück kommen. Eine Markierung im GPS wird uns später helfen den Punkt auf den Meter genau zu finden.

Nach 10 Minuten stapft unsere Gruppe weiter bergauf, aber auch für uns ist 30 Minuten später Schluss. Die Sicht ist teilweise bei Null und der Sturm wird immer heftiger. Das sind keine Bedingungen mehr für eine Gruppe in Ausbildung. Wir drehen um und kehren zu Kai zurück, den wir auch ohne GPS – Gerät zielgenau anlaufen. In einer kurzen Pause wird sich gestärkt und im Anschluss steigen wir in einem Zuge bis zur Hütte ab. Den Nachmittag verbringen wir mit etwas Theorie zum Thema Karte, Kompass, GPS und allgemeiner Orientierung.

Wie in der letzten Nacht nutzen einige Teilnehmer auch heute wieder die Schneehöhlen als Schlafplatz.

3. Tag: Snohetta oder Lyftingfonnkollen???

Der Hauptgipfel der Region und höchster 2000er Norwegens außerhalb von Jotunheimen ist die Snohetta. Natürlich möchten wir diesen Berg im Rahmen der Ausbildungswoche besteigen. Die Frage ist nur wann!

Als ich am frühen Morgen aus der Schneehöhle komme scheint mir die Sonne ins Gesicht. Ist heute vielleicht schon ein Tag für die Snohetta??  Die wenigen Wolken am Himmel stehen jedoch eher für schlechtes Wetter und der Wind ist immer noch sehr stark. Nach einer kurzen Beratung mit Andre´s entscheide ich mich gegen eine Besteigung, mit dem Risiko das wir vielleicht noch schlechteres Wetter bekommen.

Ich habe das Gefühl das die Gruppe etwas enttäuscht ist, denn eine Gruppe Belgier macht sich gerade auf den Weg zur Snohetta. Wir planen unterdessen unsere Tagestour. Die Teilnehmer sollen in kleinen Gruppe einige Gipfel anlaufen und dabei neben dem Orientieren eine gute Aufstiegsspur legen.

Um halb zehn starten Thomas und Christoph als erstes Führungsteam. Ihr Auftrag ist es den Nordgipfel des Skadkollen zu erreichen. Ab und an bleiben wir stehen und besprechen die Route. Nach zwei Stunden steht unsere Gruppe gemeinsam auf dem ersten Tourengipfel. Das Wetter hat sich stark verbessert und immer wieder kommen die Gespräche auf das Thema Snohetta. Doch nun sind wir auf unserer Tour unterwegs und können nur hoffen, dass es nicht der einzige Schönwettertag der Woche ist.

Für den zweiten Teil der Tour übernimmt Tobi die Orientierung. Er führt uns auf den nahegelegenen Lyftingfonnkollen. Von hier haben wir eine super Sicht nach Norden und auf die umliegenden Berge.

Für den Weiterweg teilt sich unsere Gruppe auf. Tobi und Kai gehen auf direktem Weg zur Hütte während Christoph, Thomas und ich noch den Namnlauskollen „mitnehmen“ wollen.

Alles in allem erreichen wir fast gleichzeitig Reinheim, da Kai und Tobi noch einen Umweg gehen müssen und wir einen direkten Rückweg durch das Gampdalen finden.

Mit einem gemeinsamen Abendessen klingt der Tag so langsam aus.

5. Tag: Snohetta

Das Wetter ist noch besser als gestern. Am Himmel ist weit und breit keine Wolke zu sehen und die Windgeschwindigkeit liegt fast bei 0.  Bei -18 Grad stapfen wir los Richtung Snohetta. Kai bleibt an der Hütte, da er diesen Gipfel mit mir zusammen ja schon 2011 bestiegen hat und im Tal lieber auf Fotosafari gehen möchte.

Das Wetter bleibt fantastisch und nun zahlt es sich aus das wir mit der Besteigung gewartet haben. Glück brauchst du auch manchmal hier draußen.

Bald erreichen wir die mit Pfählen markierte Route die von Snoheim zum Gipfel führt. Ab hier ist kein Halten mehr. Thomas und Christoph spurten Richtung Gipfel während ich mit Tobi nachkomme.  Gegen halb zwölf steht unsere Gruppe glücklich auf dem höchsten Punkt der Region und das auch noch an so einem Traumtag. Trotz der eisigen Temperaturen erscheint es uns nicht als unangenehm, was sicherlich auch mit der totalen Windstille zusammenhängt.

Über eine halbe Stunde bleiben wir am Gipfel bevor der lange Abstieg beginnt.

Der Nachmittag ist zur freien Verfügung nur Christoph und ich legen noch ein Fixseil in eine Felspassage durch die wir morgen Früh aufsteigen wollen.

6. Tag: Der Berg und das Seil

Als Bergsteiger im Winter sollte man nicht nur der Kälte trotzen sondern auch das Seil als Hilfsmittel nutzen können. Dabei sind die einfachsten Anwendungen wohl das Begehen eines Fixseiles und das Abseilen. Diese Dinge möchten wir heute mit einer Bergtour verbinden.

Um halb zehn sind wir unterwegs Richtung Gampdalen. An einem Ausläufer vom Hammarbukinn legen wir Gurt und Steigeisen an. Hier beginnt die Passage des Aufstiegs am Fixseil. Thomas geht als letzter und wird von mir nach oben gesichert. Im Anschluss gilt es noch mäßig steiles zum teil aber mit Eis durchsetztes Gelände zu überwinden.

Wir steigen in immer leichter werdendem Gelände weiter auf und erreichen gegen 13:00 Uhr einen Gipfel mit 1901 Meter Höhe und super Ausblick auf das umliegende Gelände.  Nach einer kurzen Pause steigt unsere Gruppe nach Osten über einen steilen Rücken ab und steht nach einem kurzen Gegenanstieg auf dem 1845 Meter hohen Storkinn.

Von dort an geht es nur noch bergab. Zuerst steil durch tiefen Schnee, später immer flacher bis zu einer kleinen Steilstufe kurz vor dem Tal von der Hütte Reinheim. Hier seilen wir über eine Strecke von 30 Metern ab und stehen kurze Zeit später am See Stroplsjoen. Die Hütte Reinheim ist nun nicht mehr weit und jeder bummelt so vor sich hin zur Hütte. Ein schöner Bergtag geht nach etwa 8 Stunden auf Tour zu Ende.

7. Tag  Packen und Safari

Heute ist packen angesagt. Trotzdem wollen wir das schöne Wetter für eine kleine Suche nach den Moschus Ochsen nutzen. Einige Tourengeher haben uns von Beobachtungen am nahegelegenen Berg Kolla berichtet. Somit steigen wir auf einen kleinen Aussichtsberg dort in der Nähe und suchen mit den Augen die Hänge und Täler rund um dieses Bergmassiv ab. Leider ohne Erfolg.

Am frühen Nachmittag ist unsere Gruppe in Reinheim zurück und jeder bemüht sich so gut es geht sein Gepäck für den Rückmarsch vorzubereiten. Am Abend steht ein großes Abschlussessen auf dem Programm.

8. Tag: Rückmarsch

Am Morgen heißt es Abschied nehmen von Andres und der Hütte. Da es noch verschiedene Aufgaben zu erledigen gibt gehen wir in kleinen Gruppen los. Thomas und Christoph starten gegen 09:00 Uhr um unseren VW Bus wieder fit zu machen. Kai, Tobi und ich sind für die Reinigung der Hütte und unserer Lager zuständig.

Der Abschied von Andres ist nicht einfach, er ist sehr schnell zu einem wichtigen Bestandteil unserer Gruppe und dieser schönen Ausbildungswoche geworden.  Um kurz nach zehn sind jedoch all wieder on Tour Richtung Heimat. Auf der Hälfte der Strecke dann die Überraschung. An einem Berghang des Kolla, ca. 500 Meter entfernt stehen zwei mächtige Moschus Ochsen. Schnell hat Kai die Kamera gezückt und macht ein paar Bilder gemacht. Wir sind uns alle einig diesen Tiere ihre Privatsphäre zu lassen und nicht näher ran zu gehen.

Als wir weiter Richtung Tal marschieren nimmt der Wind plötzlich zu und bei einer kurzen Pause macht sich meine Iso-Matte mit dem Wind plötzlich auf den Weg Richtung Tal. Zuerst nehme ich die Verfolgung mit Rucksack und Pulka auf, stelle jedoch bald fest, dass diese Methode keinen Sinn macht. Schnell schnalle ich die Pulka ab und werfe wenige Meter später den Rucksack vom Rücken. Nur noch mit Schneeschuhen an den Füßen spurte ich meiner Matte nach und fange sie nach mehreren Hundert Metern mit einem Hechtsprung wieder ein. Am besten sollte man alles anbienden…..

Als unsere 3er Gruppe Kongsfold erreicht bekommen wir gleich die frohe Botschaft. Der Bus läuft!!! Damit sind unsere größten Sorgen vom Tisch und unserer morgigen Heimfahrt steht eigentlich nichts mehr im Wege.

Eine schöne Tour ist damit fast zu Ende mit der Hoffnung, dass es nicht die letzte DAV Tour nach Norwegen war.